„Tür vor der Nase zugeschlagen“: Wie Betrüger dem Seniorenbeirat die Arbeit schwer machen (2024)

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Von: Anna Heise

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Die Mitglieder des Rosenheimer Seniorenbeirats haben eine Vielzahl von Aufgaben – unter anderem besuchen sie Bürger, die ihren 85., 90. oder 95. Geburtstag feiern. Doch in den vergangenen Monaten ist das immer schwieriger geworden. Warum verraten drei Mitglieder im Exklusiv-Interview.

Rosenheim – Irmgard Oppenrieder, Günter Wiesholler und Eberhard Häfele waren in den vergangenen Monaten auf zahlreichen Geburtstagsfeiern eingeladen. Die drei Mitglieder des Seniorenbeirats dienen nicht nur als Bindeglied zwischen der Verwaltung und den älteren Bürgern der Stadt Rosenheim, sie kümmern sich auch um die Gratulationen. Jetzt sprechen sie über ihre Erfahrungen, warum Trickbetrüger ihre Arbeit erschwert haben und wieso jeder Senior eine Notfalldose im Kühlschrank haben sollte.

Sie sind des Öfteren auf Geburtstagsfeiern.

Irmgard Oppenrieder: Die Vertreter des Seniorenbeirats übernehmen schon seit einigen Jahren die Geburtstagsgratulationen in Vertretung für Oberbürgermeister Andreas März. Ursprünglich haben wir nur die Rosenheimer besucht, die ihren 85. und 90. Geburtstag gefeiert haben. Die Besuche ab dem 95. Geburtstag übernahmen Andreas März oder seine Vertreter. Weil die Menschen in unserer Stadt aber immer älter werden, haben auch die Gratulationen zugenommen. Andreas März ist mit den Besuchen nicht mehr hinterhergekommen und hat uns gebeten, auch die Besuche für die 95-Jährigen zu übernehmen.

Hört sich nach vielen Besuchen an.

Oppenrieder: Im Monat finden zwischen 50 und 60 Besuche statt. Im vergangenen Jahr haben wir knapp 600 Bürgern gratuliert. Allein im Mai stehen 57 Besuche an. Von der Stadtverwaltung werde ich im Vormonat über die anstehenden Geburtstage informiert und teile die Besuche auf unsere elf Gratulanten auf. Die fertige Liste schicke ich dann wieder an die Stadtverwaltung zurück, damit sie die Jubilare über die anstehenden Besuche informiert.

In einer Zeit, wo Schockanrufe zunehmen und Betrüger ihr Unwesen treiben, sicherlich eine wichtige Information.

Oppenrieder: Es ist uns wichtig, dass die Jubilare wissen, dass wir ihnen nichts Böses wollen und nur zum Gratulieren da sind. Trotz der Entwicklung in den vergangenen Jahren muss man sagen, dass die Hemmschwelle, die Tür zu öffnen, bei vielen Senioren sehr niedrig ist. Trotzdem wollen wir jetzt dafür sorgen, dass wir einen Ausweis bekommen, damit die Senioren wissen, dass wir im Auftrag der Stadt unterwegs sind.

Günter Wiesholler: Wobei es bei mir auch schon extreme Fälle gegeben hat. Ich habe mal bei einem 95-Jährigen geklingelt, er hat die Tür dann nur einen Spaltbreit geöffnet und sie mir direkt wieder vor der Nase zugeschlagen. Ich habe ihm dann durch die geschlossene Tür versucht zu erklären, warum ich da bin. Ohne Erfolg. Geschenk und Glückwunschkarte habe ich dann vor die Haustür gelegt.

Eberhard Häfele: Aus diesem Grund rufe ich vor meinen Besuchen oft an. Allerdings wird es immer schwieriger, die Nummern im Telefonbuch zu finden. Natürlich auch aufgrund der zahlreichen Schockanrufe.

Sind Sie selbst schon einmal Opfer von Schockanrufen geworden?

Oppenrieder: Ja, das ist noch gar nicht so lange her. Ich habe direkt wieder aufgelegt.

Wiesholler: Bei mir haben die Betrüger jetzt schon zum zweiten Mal angerufen. Ich habe sofort gemerkt, dass es sich um einen Schockanruf handelt und habe versucht, das Gespräch am Laufen zu halten. Ich wollte mehr Informationen haben, damit ich sie bei der Polizei überführen kann. Weil ich aber alleine war, war es dann doch zu umständlich und ich habe aufgelegt.

Was gibt es eigentlich für Geschenke?

Oppenrieder: Jeder Gratulant hat eine Glückwunschkarte dabei, die vom Oberbürgermeister persönlich signiert wurde. Zudem gibt es Bücher, an deren Entstehung Mitglieder des Seniorenbeirats mitgewirkt haben, Informationsbroschüre von der Polizei und eine Notfalldose.

Eine Notfalldose?

Häfele: Darüber sind auch die Senioren immer wieder erstaunt. Die Idee ist, dass Senioren an ihrer Eingangstür einen Sticker anbringen mit dem Hinweis „Notfalldose“. Die eintreffenden Retter wissen dann sofort, dass sich im Kühlschrank die Notfalldose befindet, in der alle wichtigen und notfallrelevanten Informationen verfügbar sind. Also beispielsweise ein Medikamentenplan, eine Patientenverfügung, Kontaktdaten von Angehörigen und Informationen über den behandelnden Arzt.

Warum sind die Besuche bei den Senioren für Sie so wichtig?

Häfele: Während der Gespräche erfahren wir oft, was den Senioren fehlt beziehungsweise was sie brauchen. Als Seniorenbeirat sehen wir uns als Vermittler zwischen den Senioren und der Stadt. Wenn es also beispielsweise beim ÖPNV hakt, können wir die Stadtverwaltung darüber in Kenntnis setzen. Wenn wir merken, dass Senioren Hilfe benötigen, empfehlen wir ihnen bestimmte Anlaufsstellen.

Oppenrieder: Hinzu kommt, dass viele Senioren ganz alleine leben und sehr dankbar über unseren Besuch sind. Wir erleben sehr viele nette Dinge. Mir hat beispielsweise eine 85-Jährige einmal einen ganzen Nachmittag Arien aus der Oper vorgesungen. Sie hat dabei so viel Freude gehabt.

Gibt es auch kuriose Dinge?

Oppenrieder: Kurios wird es dann, wenn die Gratulanten schon verstorben oder an ihrer Adresse nicht mehr anzutreffen sind, beispielsweise weil sie in ein Pflegeheim gezogen sind. Ich war vor einiger Zeit in Aising und wollte einer 90-Jährigen gratulieren. Ich habe geklingelt und hatte plötzlich einen Mann vor mir, der definitiv nicht 90 Jahre alt war. Er hat mich dann darauf hingewiesen, dass die Frau vor 23 Jahren nach Mallorca gezogen ist und sich niemals umgemeldet hat.

Häfele: Ich hatte schon einen Fall, bei dem der Jubilar wenige Tage zuvor verstorben war. Aus diesem Grund schauen wir uns auch häufig die Todesanzeigen an und vergleichen sie mit unserer Geburtstagsliste.

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